Gott, bist du das?

Als einziges sehr spät geborenes Kind reicher Eltern wuchs ich in Essen auf. Meine Kindheit war ein Albtraum, Ich würde mich als „luxusverwaist“ bezeichnen. Essen gab es reichlich, was eine „deftige Körperfülle“ bei mir zur Folge hatte. Ansonsten war ich total einsam.

Meine Eltern waren ständig unterwegs, hatten oder waren auf Gesellschaften, gingen zu Kegelclubs und Shopping Tours – alles, was der volle Geldbeutel zu bieten hatte. Ich war bei den jeweiligen Hausmädchen untergebracht. Einen Hund durfte ich wegen der kostbaren Wohnungseinrichtung nicht halten, Freunde waren höchst selten willkommen. Ich war schlichtweg total überflüssig und im Weg. Das wurde mir auch deutlich vermittelt.

Klar, dass ich mich nicht normal entwickelte. Von klein auf konnte ich nicht schlafen, ich fühlte mich immer angespannt, nicht geborgen und versuchte die Zeit totzuschlagen. Ich hatte nichts zu tun, bekam kaum Spielzeug oder später Bücher. Warum? Ich weiß es nicht, ich bekam einfach nichts, obwohl Geld in Hülle und Fülle vorhanden war.

Der Gott meiner Familie war das Geld

Vom Glauben wurde bei uns nicht geredet. Der Gott meiner Familie war das Geld. Mit 18 Jahren wollte ich meinem Leben ein Ende setzen, wusste aber nicht wie. Da ich aber mittlerweile Kontakt zu Hippies und Drogenfreaks bekam, nahm ich viele Amphetamine, trank, rauchte und nahm andere fragwürdige Chemikalien zu mir. Gesund war das nicht, immerhin wurde ich gertenschlank!

Auf Anordnung meines Vaters absolvierte ich eine Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin. Nachdem ich sie bestanden hatte, fiel mir nichts Besseres ein, als den erstbesten Mann (den Bruder einer guten Freundin) schnellstens zu heiraten, nur um aus dem Elternhaus herauszukommen – und weil mir seine Familie guttat. Er hatte mehrere Geschwister und das gefiel mir.

Meine Ehe war eine Lüge …

Wir zogen nach Berlin, hatten beide ein gutes Einkommen, aber verstanden uns nicht. Ich hatte ohnehin ein sehr freie Einstellung zu Ehe und geplant, mein eigenes Leben nebenbei zu führen. Das war in diesen Zeiten ja auch „in“. Interessanterweise hatten wir anstandshalber einer Haustrauung in Essen zugestimmt – obwohl wir mit Glauben nichts am Hut hatten. Dort hörte ich den Satz aus dem Mund des Pfarrers, dass es ohne Jesus kein erfülltes Leben gibt. Er hat sich mir – wider meinen Willen – eingebrannt.

Irgendwie ging es mir jetzt ganz schlecht. Ich wusste: Die Ehe war eine Lüge, ich hatte gar nicht ernsthaft heiraten wollen – und nun kamen eine Menge Probleme auf mich zu. Meine Freunde in Berlin und Essen entwickelten sehr eigenartige Verhaltensweisen, ich fühlte mich mehrfach betrogen und ausgenutzt.

Jesus? Das war doch zu uncool.

Allmählich fragte ich mich, was das ganze Leben überhaupt noch sollte und wohin ich eigentlich wollte?! Ich beschäftigte mich mit Philosophen, Psychologie, Religionen, nur nicht mit Jesus – das war doch zu uncool. Aber nichts gab mir Halt. An einem Wochenende flog ich für drei Tage nach Prag. In dieser Zeit lernte ich eine sehr nette Dame kennen, die mir beiläufig mitteilte: „Ich glaube an Jesus.“ Schon wieder Jesus.

Wir tauschten Adressen aus, es dauerte aber noch ein halbes Jahr und ein paar große Enttäuschungen in meinem Leben, bis ich die Dame aufsuchte. Ihr Mann war auch noch zufällig Pfarrer in Berlin, und so zog ich nach einem interessanten Gespräch mit einem dicken Paket Bücher über Jesus und die 14 Briefe zum Glauben von Prof. Helmuth Thielecke nach Hause.

Wie sollte ich mich überhaupt an Gott wenden?

Da ich abends viel allein war, hatte ich ausreichend Zeit zu lesen, auch die täglichen U-Bahn-Fahrten zu meinem Arbeitsplatz nutzte ich zum Studium der guten Botschaft. Und siehe da: Ein Funke sprang über. Ich sah mich selbst mit den Augen Gottes, dachte intensiv über das nach, was Jesus sagte und wie er handelte. Nach einigen Wochen war ich total überzeugt: Dieser Jesus, dieser Glaube, ist das, was ich brauche.

Nun war ich ja total geistlich unbedarft und im Beten absolut ungeübt. Wie sollte ich mich überhaupt an Gott wenden? Interessanterweise stand in einem der Briefe zum Glauben ein guter Satz aus dem Johannes-Evangelium, Kapitel 14, Vers 23. Hier sagt Jesus: „Wenn mich jemand liebt, wird mein Vater ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen.“

Gott verspricht Nähe

Das traf mich mitten ins Herz. Kindlich naiv wie ich – Gott sei Dank – war, dachte ich bei mir: Wow, wenn jemand bei dir wohnt, dann muss das doch erfahrbar oder spürbar sein, das ist dann ja keine „Fernbeziehung“. Gott verspricht Nähe – so verstand ich es. Das gefiel mir und so betete ich: „Jesus, ich kenne dich nicht, aber ich glaube, dass das, was ich bisher gelesen und gehört habe, wahr ist. Wenn du also wirklich lebst und von den Toten auferstanden bist, dann muss ich das wissen. Dann kannst du mein ganzes Leben auf den Kopf stellen.“

Es tat sich nichts – erst mal. Ich musste noch einige Wochen warten. Um bloß nichts zu verpassen in meiner Glaubenssuche, mich aber nicht direkt vor meinen Freunden und Mann zu outen, ging ich am Samstagabend immer in die Wilhelm-Gedächtnis-Kirche in Berlin, denn dort gab es gegen 18 Uhr regelmäßig klassische Konzerte in Kurzform und eine kleine Ansprache des Pfarrers. Ich hoffte, dass ich in einer Kirche irgendwie erfahren könnte, dass Gott bei mir Wohnung nimmt. Er nahm aber nicht. An jedem Samstag war ich zwar um eine musische-klassische Kostbarkeit reicher, aber die Andacht bewirkte nichts bei mir. Enttäuscht schloss ich mich danach wieder meinen Freunden an, und der übliche Wochenendumtrunk fand statt!

Hat Gott gar kein Interesse?

Irgendwann, nach etwa fünf bis sechs Wochen – outete ich mich doch. Wir waren mit mehreren Ehepaaren in unserer Lieblingsbar und mir kamen die Gespräche immer hohler und unsinniger vor. In mir war eine große Sehnsucht nach Gott, aber ich wusste nicht, wie ich ihn finden sollte. Beim Abschied sagte ich: „Leute, ich weiß, es gibt Gott, aber ich finde ihn nicht.“ Allseits schallendes Gelächter: „Was ist denn mit dir los? Sind dir die Zeugen Jehovas begegnet?

In der Wohnung geschah etwas Seltsames: Mein Mann legte sich schlafen, ich blieb noch im Wohnzimmer. Mich überkam eine große Traurigkeit. Gott oder Jesus – beide antworteten auf meine Gebete nicht. Wochen suchte ich nun schon, nichts war geschehen. In mir stiegen Tränen auf und mir kam der Verdacht, dass Gott an mir gar kein Interesse hätte – nachdem ich gelebt hatte wie bisher. Das musste es sein, ich war für den Himmel nicht gut genug. (Das mit den Sünden, die er für mich getragen hatte, war noch nicht so richtig zu mir durchgedrungen). Da konnte ich lange warten, bei Gott war ich nicht angesagt! Müde und traurig ging ich ins Bett.

Eine heilige Größe war im Raum

Nachdem ich eine Weile geschlafen hatte, wurde ich wach. Ich spürte: Es war jemand im Raum. Mich überkam eine große Furcht, aber nicht eine Furcht, wie ich sie kannte von Wahrsagern und Kontakt mit Okkultem – es war die Ehrfurcht vor einer Größe, der ich nichts entgegenzusetzen hatte. Einer heiligen Größe. Ich fühlte mich unendlich klein und fragte voller Angst: „Gott, bist du das?“ Keine Antwort. Ich fragte: „Jesus, bist du es?

Und nun erlebte ich einen Himmel, den ich mein ganzes Leben nie vergessen werde. Es war wie eine Dusche, von innen und außen. Freude, Liebe, Herrlichkeit – ich kann es nicht beschreiben, es war pures Glück – nicht eine Sorge, nicht ein Kummer hat in dieser Atmosphäre Raum. Es war einfach unbeschreiblich himmlisch.

„Ich bin es. Ich bin für dich da!“

Ich hielt es im Bett nicht aus, ich weinte und weinte und fiel im Wohnzimmer auf meine Knie. Es war nicht zu fassen: JESUS LEBT; er lebte wirklich, er kommt und „machte Wohnung“ in mir, er teilte sich mit, er zeigt mir: „Ich bin es. Ich bin für dich da!“ Durch alle Krisen und echte Katastrophen in meinem Leben hindurch habe ich dieses Erlebnis nie vergessen. Es hat sich mir tief eingebrannt.

Wie das so ist mit starken Rauchern: Natürlich musste ich mir zur Feier dieses Ereignisses eine Zigarette anzünden – ob schlimme oder gute Erlebnisse, eine Zigarette passt immer.

Aber weit gefehlt. Ich konnte sie mir nicht anzünden. Mich packte so ein Ekel, in der Gegenwart des Himmels zu diesem Rauchkraut zu greifen – es ging nicht. Am anderen Morgen habe ich die Zigaretten sofort entsorgt und war von da an frei von Zigarettensucht. Das war noch ein wunderbares Geschenk des Herrn obendrauf. Denn selbst Geldangebote und Wetten hatten mich bisher nicht vom Rauchen abbringen können.

Mein himmlischer Vater liebt mich um meiner selbst willen

Am anderen Morgen ging ich zur Arbeit – und ich erinnere mich noch genau: Ich schaute mich im Spiegel an und war von mir begeistert. Ich war mir meiner Einmaligkeit als Mensch plötzlich bewusst. Es kommt bei Jesus nicht auf meine Perfektion an, ich bin grundsätzlich von ihm und für ihn als einmalige Schöpfung mit all meinen Ecken und Kanten wertgeschätzt.

Diese neue Herzenshaltung war praktisch ein Nebenprodukt dieser nächtlichen Begegnung. „Siehe, ich mache alles neu“, der Vers aus Offenbarung 21,5 wurde für mich Realität. Ich war verändert, ich liebte mich, hatte jetzt eine Identität als Tochter Gottes. Mein irdischer Vater liebte mich aufgrund von Leistung – der himmlische Vater liebt mich um meiner selbst willen. Was für eine Entspannung, was für ein herrliches neues Lebensgefühl.

Andrea Berkei-Rechtien